Haushaltsrede unseres Fraktionsvorsitzenden Herbert Mengelkamp zur Ratssitzung am 03.10.2020

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, Frau Engemann, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, 
der scheidende Rat hat mehrheitlich entschieden, für das kommende Jahr den Haushaltsplan und die Haushaltssatzung mit 1-jähriger Laufzeit vorzulegen. Das ist gut und richtig so – zum einen sind bzw. waren wir an die vorgegebenen Fristen des Stärkungspaktgesetzes
gebunden, zum anderen geben wir dem „neuen“ Rat im zweiten Jahr die Möglichkeit, ggfs. neue Akzente setzen zu können. Im Übrigen können sich notwendige Anpassungen auch aus den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie ergeben, deren Folgen wir alle derzeit noch nicht abschätzen können.
Die Kämmerin hat in Ihrer Haushaltsrede zu Recht betont, dass die derzeitige Situation in Anbetracht der Herausforderungen der Corona-Krise eine außergewöhnliche ist. Sichere Annahmen zur finanzwirtschaftlichen Planung sind kaum möglich, das zeigt sich auch bei dem jüngst verabschiedeten Bundeshaushalt 2021.
Der vorliegende Haushaltsplan mit den zugehörigen Anlagen beschreibt auf 454 Seiten detailliert die aktuelle Lage und die finanzwirtschaftlichen Planungen der Stadt Selm für das Haushaltsjahr 2021. Eine wesentliche Anlage des Haushaltsplanes ist der pflichtgemäß jährlich fortzuschreibende Haushaltssanierungsplan. Frau Engemann, Ihnen und allen Mitarbeiter*innen der Kämmerei gebührt an dieser Stelle unser großes Lob und unser Dank.


Zu den Zahlen:
Der vorliegende Haushaltsplanentwurf sowie die Fortschreibung des Haushaltssanierungsplanes erfüllen die strengen Voraussetzungen des Stärkungspaktgesetzes. Für 2021 weist der Ergebnisplan bei einem Gesamtvolumen von ca. 79 Mio. € auch nach Wegfall der Stärkungspaktmittel einen Haushaltsausgleich mit einem positiven Saldo von ca. 142.000 € aus. Sicherlich muss man berücksichtigen, dass coronabedingte Folgeschäden, die zur Zeit bereits 1.140.000 € betragen als außerordentliche Erträge im Ergebnisplan aufgenommen und über die kommenden Haushaltsjahre ergebniswirksam abgeschrieben werden.
Die Steuererträge der Stadt Selm steigen gegenüber dem Planwert des Vorjahres um ca. 1.2 Mio. €. Wesentlicher Bestandteil sind hier die die Erträge aus der Grundsteuer A und B sowie der Gewerbesteuer. Die Grundsteueranhebung hat definitiv nicht zu einer Reduzierung der Bautätigkeit im privaten Wohnungsbau geführt, die künftige Entwicklung ist in Anbetracht der neuen Baugebiete als positiv zu bewerten. Die Gewerbesteuereinnahmen haben sich in den
letzten acht Jahren mehr als verdoppelt. Insgesamt zeigt sich auch hier die positive Entwicklung, die unsere Stadt in den letzten Jahren genommen hat.
Der Summe der Erträge stehen Aufwendungen in Höhe von ca. 79 Mio. € gegenüber. Dabei nehmen die Transferaufwendungen nach wie vor den größten Bereich ein. Es handelt sich hier um Leistungen, auf die wir selbst keinen oder nur geringen Einfluss haben. Darunter fallen Sozialtransfers, etwa Leistungen der Sozial- oder der Jugendhilfe. Weiter sind hier auch die Umlagen an Zweckverbände wie etwa die Kreisumlage enthalten.

Nicht nur im Hinblick auf die Leistungen der Kinder- Jugend- und Familienhilfe stellt sich immer wieder die Frage der Konnexität wonach Bund und Land aufgefordert sind, den Kommunen übertragene Aufgaben auch mit den nötigen Finanzmitteln auszustatten.
Der Bestand an Liquiditätskrediten beträgt für 2021 weiterhin 43 Mio. €, eine Neuaufnahme ist aufgrund des positiven Saldos aus der Verwaltungstätigkeit nicht erforderlich.
Investitionsdarlehen sind für 2021 mit 13,4 Mio. € weiter auf hohem Niveau geplant. Das ist auch dringend erforderlich, um den bestehenden Investitionsstau abzuarbeiten und unsere Infrastruktur z.B. im Bereich von Abwasser- und Straßenanlagen aufrechtzuerhalten und auszubauen. Der Gesamtbestand an Investitionsdarlehen beträgt damit 2021 61 Mio. €.
Seit 2011 ist die Stadt Selm aufgrund negativen Eigenkapitals überschuldet. In der vorliegenden mittelfristigen Finanzplanung ergibt sich Ende des Jahres 2024 erstmals wieder ein Status mit positivem Eigenkapital und damit eine Rückkehr in eine geordnete Finanzwirtschaft. Bei allen Unwägbarkeiten in Anbetracht der Folgen der Corona-Krise ist
diese Entwicklung ist als äußerst positiv zu bezeichnen.

Frau Engemann, in diesem Zusammenhang muss man Ihren Ausführungen zum Problem der kommunalen Altschulden in vollem Umfang zustimmen. Das grundlegende Problem der strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen muss dringend gelöst werden. Aus eigener Anstrengung wird es der Stadt Selm nicht gelingen, die in den vergangenen Jahren angehäuften Liquiditätsdarlehen zu reduzieren.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle einige allgemeine Anmerkungen machen.

Das Gesicht unserer Stadt hat sich in den letzten Jahren deutlich positiv verändert. Darauf können wir gemeinsam stolz sein. Die CDU- Fraktion hat die wesentlichen politischen Beschlüsse stets mitgetragen und unterstützt. Diese positive Entwicklung beruht zum einen darauf, dass wir die Möglichkeiten der Regionale 2016 erkannt und genutzt haben. Zum anderen haben die Mittel aus dem 2011 beschlossenen Stärkungspaktgesetz zur Haushaltskonsolidierung
beigetragen. Der in diesem Zusammenhang ständig fortzuschreibende Haushaltssanierungsplan wurde in
den letzten Jahren regelmäßig von der Kommunalaufsicht genehmigt – wir sind der festen Überzeugung, dass gleiches auch mit dem jetzt vorliegenden Haushaltsentwurf für 2021 geschieht.

Sehr geehrte Frau Lipke, Herr Dr. Seier, die Erhöhung der Grundsteuerhebesätze 2012 war alternativlos und notwendig. Ihre seinerseits vorgetragenen Befürchtungen, wonach zwangsläufig eine Reduzierung der Bautätigkeit im privaten Wohnungsbau eintreten werde, haben sich als falsch erwiesen. Mittlerweile haben im Bereich Westfalen – Lippe 12 Kommunen Grundsteuerhebesätze von 800 % und mehr, Spitzenreiter ist aktuell Bönen im Kreis Unna mit 940 Punkten. Auch im diesjährigen Wahlkampf haben Sie vehement eine Grundsteuersenkung gefordert – das ist
blanker Populismus solange Sie nicht realisierbare Vorschläge zur Gegenfinanzierung unterbreiten. Die Zwänge, die sich aus der pflichtigen Teilnahme am Stärkungspaktgesetz ergeben, sind Ihnen sehr wohl bekannt.

Unter Verweis auf die Ihrer Meinung nach überzogene Grundsteueranhebung haben Sie in den letzten Jahren regelmäßig die Zustimmung zum Haushaltssanierungsplan und seinen Fortschreibungen und damit auch zum Haushaltsplan abgelehnt – wir sind gespannt, wie Sie sich in diesem Jahr entscheiden!
Sie sind auch angetreten mit dem Wahlziel: Groko ablösen! Das dieses nicht gelungen ist, belegt die Verteilung der Mandate im zukünftigen Rat. Die Selmer Bürger*innen befürworten damit den politischen Kurs der letzten Jahre und das ist gut so! Sie beschreiben in Ihrem Wahlprogramm eine Fülle von Zielen, für die Sie sich einsetzen.
Viele Ihrer Forderungen sind durchaus wünschenswert – sozusagen der Idealzustand einer städtischen Kommune. Leider sind diese Forderungen für die Stadt sehr oft mit der Bereitstellung zusätzlicher Finanz- und Personalressourcen verbunden. Bei den Ausführungen zur Finanzierbarkeit verliert sich Ihr Wahlprogramm in wenigen Sätzen.
Die Quadratur des Kreises beschwören Sie, indem Sie einerseits die Einrichtung zusätzlicher Stellen und Aufgabenbereiche bei der Verwaltung fordern und auf der anderen Seite ein „vernünftiges Personalmanagement“ als Einsparpotenzial beschreiben. Seien Sie versichert, auch wir betrachten Steuern und Gebühren nicht als Selbstzweck. Wir halten es aber für unlauter, den Bürger*innen in Anbetracht der aktuellen Finanzlage der Stadt einen falschen Eindruck über Realisierungswahrscheinlichkeiten künftiger Projekte zu vermitteln.
Frau Lipke, Sie fordern mehr Bürgerbeteiligung u.a. im Zusammenhang mit den Gebäuden Kreisstraße 68 – 84. Grundsätzlich ist ein Mehr an Bürgerbeteiligung wünschenswert. Das im Vorfeld des geplanten Ankaufes von Flächen und Gebäuden durch die Stadt eine solche Bürgerbeteiligung wegen des dann zu erwartenden sprunghaften Preisanstieges problematisch ist, dürfte auch Ihnen klar sein. Nun kommen die Ruhr Nachrichten bei einer sicher nicht repräsentativen Online- Umfrage zu dem Ergebnis, dass sich 44 % der Teilnehmer für einen Abriss des Altbestandes aussprechen, 46 % sind dagegen. Was nun ? Bedenklich in diesem Zusammenhang ist in meinen Augen auch der zunehmende Trend der Meinungsmache in der Parallelwelt von facebook und Co. Es wird mit falschen Behauptungen,
Halbwahrheiten, fake- Profilen und persönlichen Anfeindungen agiert. Eine seriöse Meinungsbildung ist oftmals schwierig.


Sehr geehrte Frau Grave-Leismann, Frau Küpper!
Die Rolle von Bündnis 90 / Die Grünen im Selmer Rat ist schwer zu beschreiben. Kaum eine Vorlage in Ausschuss- oder Ratssitzungen findet ihre Zustimmung. Mal mit mal ohne Begründung, überwiegend Enthaltungen oder Ablehnung. Unlängst haben Sie die Vorlage zum Bau der neuen Kita mit 70 Plätzen am Pädagogenweg mit der Begründung abgelehnt, sie wünschen nicht die vom Investor gleichzeitig geplante Wohnbebauung – oder sie hätten gern mehr Kita- Plätze gesehen – und außerdem ist auch noch ein Wald in der Nähe. Alles nur schwer nachzuvollziehen. Ein solches Abstimmverhalten gipfelt dann darin, dass man sich auch mal bei der Genehmigung
des Protokolls der  letzten Sitzung der Stimme enthält. Mir ist nie klar geworden, was damit ausgesagt werden soll.
Die Visionen einer „essbaren Stadt“ oder vom einzuführenden „Bürgerhaushalt“ in allen Ehren: Kommunalpolitik bedeutet in erster Linie auch konkretes Handeln auf lokaler Ebene mit Blick auf die Gesamtverantwortung für die Stadt Selm. Nicht alle Wirtschaftsunternehmen sind böse, auch eine Tankstelle an sich nicht ! Etwas weniger ideologische Verwurzelung und mehr Bereitschaft zur Realpolitik tut dringend Not.

Zwei Sätze zur im kommenden Rat vertretenen FDP- Fraktion:
Herr Schmittmann fordert ein Ende der abenteuerlichen Verschuldungspolitik der Stadt Selm. Wir sind gespannt, mit welchen konstruktiven Vorschlägen er seine Aussage untermauern wird. Herr Zimmermann hat ja in einer Podiumsdiskussion versichert, Geld sei genug da – man müsse es nur richtig verteilen. Leider wird er uns diese seine Ansicht nicht näher erläutern können da er offenbar, wie man hört, sein Mandat nicht antreten wird.


Einen Satz zu Herrn Piekenbrock und der Familienpartei:
Die Art und Weise, in der Herr Piekenbrock über die IKS (Interessengemeinschaft Kommunalpolitik Selm) und die Familienpartei im Netz agiert, stimmt mich eher grundsätzlich skeptisch. Pauschale Schelte von Rat und Verwaltung sowie unseriöse Meinungsmache sprechen nicht für die Bereitschaft zu konstruktiver Arbeit. Lassen wir uns überraschen!


Herr Bürgermeister, Frau Engemann, liebe Ratskolleginnen und Ratskollegen, sehr geehrte Damen und Herren,
die Auswirkungen der Covid 19-Pandemie sind für uns alle derzeit nicht annähernd abschätzbar. Realistisch ist, dass auch wir auf kommunaler Ebene die Folgen zu spüren bekommen und unsere Finanzplanung anpassen müssen. Zwei positive Begleitumstände haben sich nach Meinung vieler in der Krise gezeigt:
Zum einen hat die Gewichtung der AfD nach allen Umfragewerten drastisch gelitten, das ist gut so! Zum anderen wurde auf Bundesebene ein partei- und koalitionsübergreifend großer Konsens bei den Maßnahmen zur Krisenbewältigung erzielt. Das hat bei vielen Bürger*innen zu mehr Akzeptanz geführt.
Ich appelliere an die hier Anwesenden und den zukünftigen Rat der Stadt, in der kommenden Legislaturperiode eine ähnliche Bereitschaft zur Lösung der in der Stadt anstehenden Probleme zu zeigen. Wir als CDU- Fraktion stehen dazu uneingeschränkt zur Verfügung.

Zum Schluss möchte ich mich bei Ihnen Frau Engemann und Ihnen Herr Bürgermeister, aber auch bei allen anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Stadtverwaltung für die geleistete Arbeit bedanken. Die Zeit der sich nahezu täglich ändernden Coronaschutzverordnung mit extrem kurzen Reaktionszeiten hat Sie sicherlich alle vor große Herausforderungen gestellt. Dass sie diese Herausforderungen bewältigt haben ist ein Beweis für die Leistungsfähigkeit der Verwaltung der Stadt Selm. Bitte leiten Sie unseren Dank an alle Mitarbeiter weiter.

Die CDU-Fraktion stimmt der Haushaltssatzung, dem Haushaltsplan 2021 nebst Anlagen zu.


Allen Anwesenden Danke ich für ihre geschätzte Aufmerksamkeit!

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